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Sommerfahrt des Stammes Alexander von Humboldt aus dem VCP Oberschöneweide

von Elina

Uns trieb es dieses Jahr auf unserer Großfahrt ins schöne Schweden, wo neben einigen Tagen gemütlich wandern auch das Segeln auf dem Vänernsee geplant war.
Nölli, Ksenia, Maya und ich hatten uns also auf eine gemütliche Nacht im Flixbus eingestellt - Franz und Jakob sollten nachkommen. Unser Stamm ist vor allem für unsere überdurchschnittliche Kompetenz und Professionalität bekannt, jene konnte ich bei der Anreise mal wieder unter Beweis stellen, indem ich meinen Pass zuhause ließ. Nun, wahrscheinlich war ich schlussendlich tatsächlich die Einzige, die sich einer entspannten Nacht im eigenen Bett erfreuen konnte. So hatte ich leider nicht die Ehre, unter laut-telefonierenden, angetrunken Rumänen meinen Schlaf zu finden, ich erlebte auch nicht den Luxus einer Übernachtung im Botanischen Garten unter ´nem nassgeregneten Poncho, wie Jakob es ein paar Tage später tat, aber es war mir eine Freude, die Ausgeburt personifizierter Verlorenheit in Form eines kleinen Mädchen mit übergroßem Rucksack zu verkörpern, als ich den Mädels am nächsten Morgen hinterher flog.
Ich hatte sogar noch etwas Zeit, mir Göteborg anzuschauen, bevor ich die drei am Bahnhof abholte und wir uns in den Genuss einer weiteren Busfahrt begeben mussten.
In Askersund angekommen, durften wir feststellen, dass es in Strömen regnete und erhielten nach Anfragen in Yogastudios, Cafes und fragwürdigen Villen schnell die Erkenntnis, dass die kleine-Mädchen-Mitleidskarte wohl langsam nicht mehr zog, wenn es um Schlafplätze ging. Selbst bei einer Kirche wurden wir abgewiesen und so schlugen wir notdürftig unser Schlaflager unter dem Vordach neben dieser auf, da es immer noch goss, als wolle man einen Kaktus ertränken. Es war tatsächlich gemütlicher als es sich anhört und weitaus bequemer, als der sagenumwobene Busch in einem Park in Slupsk, welcher uns vor zwei Jahren als Übernachtungsplatz gedient hatte. (Einige Passanten hatten ihn damals mit der Citytoilette verwechselt und das Verstecken vor den Taschenlampenstrahlen der Parkwacht trug auch nicht zwangsweise zu Comfortbedingungen bei.)
Nur die Spaziergänger, die vier verschlafenen Mädchen am nächsten Morgen beim Frühstücken in Schlafsäcken an der Hauptstraße zuschauen durften, wirkten etwas irritiert. Die Reaktion der Kirchenzuständigen fiel differenziert aus. So wurde uns von einer Frau, der wir beruhigend erklären wollten, dass wir gleich verschwänden mit solch einer beharrlichen Gutmütigkeit Kaffe angeboten, dass wir bereits kurz davor waren, die etwas ruppige Behandlung ihrer Kollegin am Vorabend zu verzeihen, als diese auftauchte und uns unseren despektierlichen und unerhörten Solipsismus erneut vor Augen führte, denn wir hatten ja trotz ihrer Ablehnung unter ihrem Vordach geschlafen. Wir gaben uns damit zufrieden, dass wir das stereotypische deutsche Touribild vertieften und genossen ein ausgedehntes Frühstück am Pier.
Danach machten wir uns auf den Weg zu einem kleinen namenlosen See, an dem wir die nächsten Tage verbringen wollten, denn das Wetter war schlecht und wandern war ja von vornherein nicht geplant gewesen. Und so genossen wir Schwedens Angebot an bilderbuchähnelnder Entspannung: gingen trotz eiskalter Wassertemperaturen todesmutig baden, lauschten Mayas herzzerreißenden Vorlesestunden über Westtley und Butterblume (wer kann denn bitte ahnen, dass der Typ am Ende doch nicht tot ist) und schlossen Bekanntschaft mit einer Horde Gänsen, sowie einem Klischee auf zwei Beinen, dem bärtigem älteren Mann namens Lars.
Jener machte zwar Witze über Kopfabtrennedes-discuswerfen mit Topfdeckeln, aber war trotzdem super lieb, teilte sich mit uns seinen Ketchup und ließ uns in der letzten Nacht unserer trauten Viersamkeit sogar in seinem Jagdanwesen kochen und schlafen.
Am nächsten Morgen hieß es Abschied nehmen von Lars und von Entspannung, denn der Segeltörn sollte losgehen und außerdem stand unser unausweichliches Wiedersehen mit Franz kurz bevor. Jener ist neben seinen unerträglich schlechten Witzen noch vor allem für eines bekannt: ellenlange, passiv-aggressive Motivationsreden, die wohl als alles bezeichnet werden können - außer als motivierend.
Doch bevor wir uns eine Woche auf dem Traditionssegler Mytilus (das bestimmt schönste Schiffchen auf dem Vänern) häuslich einrichten konnten, mussten wir noch einige Kilometer hinter uns bringen. Jene wurden uns jedoch von dem Aufeinandertreffen mit Trude dem Reh und Ulf, unserem Skipper für die nächste Woche, versüßt. Und so galt es nur noch, sich ordentlich mit Fressalien für die folgenden Tage einzudecken, als wir endlich an der Mytilus ankamen.
Vom Besuch im Supermarkt bleibt mir jeglich eine beachtliche Menge an zu schleppendem Kohl, die Nichtauffindbarkeit von H-Milch und der Streit über die Schokoladensorte im Gedächtnis. Zurück auf der Mytilus durchliefen wir eine Sicherheits- und Toiletteneinweisung von der Stammcrew, bestehend aus Ulf, Schnipsel und Egal.
Wider erwarten erwies sich erstere als deutlich komplexer, denn sie beinhaltete den Umgang mit einer Apparatur, bei dem unter höchstem Kraftaufwand sein Geschäft hinfort gepumpt werden musste. Eine Art von Fußpumpen benötigte man auch bei der Benutzung des Wasserhahns und so kam es, dass nicht nur diverse Wettbewerbe in punkto Pumpen veranstaltet wurden, sondern auch, dass man nach einer Woche Segeltörn bei sich zuhause vor dem Wasserhahn stand und mit dem Fuß eine vermeintlich vorhandene Pumpe betätigte. Nachdem wir uns also jenes komplexe Wissen so mehr oder weniger angeeignet hatten, ging es los.
Am ersten Tag fuhren wir nur mit dem Motor, der Wellengang war heftig und Ksenias Magen bereitete sich schon mal darauf vor, Fische zu füttern. Die nächsten Tage wurden ruhiger, wir hingen uns langsam aber sicher immer gekonnter in die Seile - das natürlich nur dank Egals, Schnipsels und Ulfs Anweisungen, waren am Ende des Tages fix und fertig und aßen dafür umso mehr und gemütlicher. Morgens ging man gezwungenermaßen manchmal baden, denn auf Duschen musste man die ersten Tage verzichten. Franz war motivierter denn je, weckte uns tadelnd und früh, aber das nahm den langen Singerunden am Abend nicht ihre Existenz.
Kurz vor Göteborg ging es in den Trollhätte Kanal, so mussten wir uns durch diverse Brücken, und enge Passagen hindurch lavieren, was Ulf auch hervorragend gelang bis zu einer ab heute wohl sagenumwobenen Schleuse. Als die Mytilus gerade heruntergelassen wurde und es hieß, wir sollen die Leine los machen, verhakte sich eben diese und weigerte sich strikt sich loszulösen. Ulfs Anweisungen wurden zunehmend panischer und forscher, denn wir hatten schon etwas Seitenlage und der Mast hing schief (was bei so nem 16m Teil wahrscheinlich wirklich kontraproduktiv ist). Am Ende lautete der Essenspruch für diesen Tag: „In die Schleuse besser - mit dem Notfallmesser“, denn Ulf hatte die Leine letztendlich durchtrennt und das Schiff sackte mit teils epischem und doch beängstigendem Knarzen wieder zurück in eine gerade Position und wir kamen doch noch heil in Göteborg an.
In diesem verweilten wir jedoch nicht lange, suchten uns für Ksenias Halstuchübergabe Öckerö aus, in dem wir nach einer epischen Rede im strömenden Regen auch übernachteten. An unserem letzten Tag in Schweden segelten wir noch einmal raus nach Vinga, eine Insel, auf der man laut Ulf „mindestens einmal im Leben gewesen sein musste“, dann ging es zurück nach Göteborg. Ein letztes Mal den Luxus des wohlig warmen Wassers einer Hafendusche erlebt, lecker gegessen und dann ins Bett gefallen, denn am nächsten Tag sollte geputzt werden und das ordentlich.
Nachdem wir die Mytilus nun zum sicher schönsten Schiff des Vänerns poliert hatten, verabschiedeten wir von den drei kompetentesten und liebsten Seglern und Franz. Dann machten Nölli, Ksenia, Maya, Jakob und ich uns auf den Weg zu einer weiteren langen Busfahrt.
Wir hatten einen Zwischenhalt in Kopenhagen, beneideten die kreischenden Touris um Achterbahnfahrten im Vergnügungspark, wohnten einer Art orientalischen Kreistanzveranstaltung bei, genossen den Rest der fragwürdigen salzigen Kondensmilch aus der Tube und zwangen Jakob zu einer runde „Wer bin ich?“ im Park. Dann stand uns auch schon die letzte dieser etlichen langen Busfahrten bevor. Wir kamen bis auf diverse Schlafunterbrechungen durch Wecker, die gegen halb 5 Uhr morgens klingelten relativ ausgeschlafen in Berlin an. Ich muss zugeben, ich hab diese verranzte, dreckige Stadt vermisst (mindestens so sehr wie meine Dusche) - doch wie Farin Urlaub so schön singt:

„Ach, Schweden, alte Hütte, altes Pferd,
warum hast Du Dich nicht vermehrt?
Auf dass die ganze Welt erfährt:
zwei Schweden wären nicht verkehrt.“

Doch die Frage ist doch, wo kann man nicht hinfahren, wenn über die Legitimität von Brokkoli-Naschen, die Verwendung von sächsischen Wörtern im alltäglichen Sprachgebrauch und das Vorhandensein von Sternbildern wie „der Becher“ diskutiert wird?
Am Ende ist es die Erfahrung mit grundsätzlich anstrengenden, aber liebenswürdigen Leuten, die man wegtuppert.

 

 

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